D-Mannose: Wirkung gegen Krebs

Bezüglich des Krebswachstums spielt der Zuckerstoffwechsel eine entscheidende Rolle. Tumorzellen benötigen wesentlich mehr Glukose als gesundes Gewebe. Neue Ansätze in der Krebstherapie nutzen diese Besonderheit gezielt als Angriffspunkt. Der Zucker D-Mannose ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Studien haben gezeigt, dass Mannose das Tumorwachstum hemmen und Krebszellen anfälliger für Chemotherapien machen kann.

Zucker ist nicht gleich Zucker

Wenn wir von Zucker sprechen meinen wir in der Regel entweder den raffinierten Haushaltszucker, der zum süßen von Speisen eingesetzt wird oder natürlichen Zucker, der beispielsweise in Früchten enthalten ist. Tatsächlich ist Zucker jedoch nur ein Oberbegriff für viele unterschiedliche Bausteine der Kohlenhydrate. Es gibt kurzkettige Zucker wie Saccharose, Fructose oder Milchzucker und langkettige Zuckerverbindungen, die wir als Stärke bezeichnen.

Zusammenhang zwischen Zucker und Wachstum von Krebszellen

Bereits in den 1920er Jahren wies der Nobelpreisträger Otto Warburg den Zusammenhang zwischen Zucker und Krebs nach. Der Biochemiker erkannte, dass viele bösartige Tumoren Glukose anders verwerten als gesundes Gewebe. Gesunde Zellen zersetzen den Zucker, um die so freigesetzte Energie zu nutzen. Dieser Prozess findet in den Mitochondrien statt – das sind energieproduzierende Zellorganellen, die auch als „Kraftwerke der Zellen“ bezeichnet werden.

In bösartigen Tumorzellen wird der Zucker hingegen nicht vollständig abgebaut. Das führt unter anderem dazu, dass Krebszellen aufgrund ihres ineffizienten Zuckerstoffwechsels mehr Glukose benötigen, um die gleiche Energie wie gesunde Zellen aus Zuckern ziehen zu können. Die Entdeckung führte zu der sogenannten Warburg-Hypothese, die nahelegt, dass der Verzicht auf Zucker das Krebswachstum stoppen könnte. In der Praxis ist es jedoch äußerst schwierig, die Glukosemenge im Körper allein durch die Ernährung zu kontrollieren. Studien der letzten Jahre (siehe Quellen 1-14) haben mehr Substanz in diese Hypothese gebracht und aufgezeigt, dass nicht jeder Zucker gleich verstoffwechselt wird. Es gibt sogar Zucker, die das Wachstum von Krebszellen hemmen und daher ein vielversprechendes Ziel für die Krebstherapie darstellen. Einer dieser Zucker mit potentiell krebshemmender Wirkung ist D-Mannose.

Was ist D-Mannose?

D-Mannose ist ein Zucker, der zu den Hexosen zählt. Das sind spezielle Monosaccharide, die als Grundbausteine der Kohlenhydrate dienen und deren Kohlenstoffgrundgerüst immer sechs Kohlenstoff-Atome enthält. Die D-Mannose ist eine natürliche Hexose, die in zahlreichen Vielfachzuckern (Polysachariden) verbaut ist. In Zellen ist D-Mannose ein Bestandteil von Membranen. Vor allem Früchte wie Preiselbeeren, Cranberry, Mais, Pfirsiche, Orangen, Ananas, Äpfel und Blaubeeren enthalten natürliche D-Mannose.

Wie D-Mannose das Krebswachstum hemmt

Das besondere an Mannose ist, dass der Zucker zwar genau wie Glukose über den Zuckerstoffwechsel verwertet wird, dabei jedoch keine Energie entsteht. Bei Krebszellen, die Mannose statt Glukose verstoffwechseln, hat dies zur Folge, dass die Energieversorgung der Tumorzelle gehemmt wird und damit das Wachstum unterbunden werden kann.

Studien über die krebshemmende Wirkung von D-Mannose

Das belegte auch eine Arbeitsgruppe um Professor Kevin Ryan vom Cancer Research UK Beatson Institute an der Universität Glasgow im Jahr 2018 in dem renommierten Fachjournal „Nature“ (1). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass Mannose die Zuckermenge reduzieren kann, die Krebszellen für das Wachstum verwenden können. Mannose als Nahrungsergänzungsmittel konnte bei Mäusen mit verschiedenen Krebsarten sowohl das Tumorwachstum verlangsamen als auch die Wirkung einer Chemotherapie verstärken. Forschungsleiter Professor Ryan erläutert die Studienergebnisse folgendermaßen:

„Tumore benötigen viel Glukose, um zu wachsen, daher sollte eine Einschränkung der Glukosemenge, die sie verbrauchen können, das Fortschreiten des Krebses verlangsamen. Das Problem ist jedoch, dass auch normales Gewebe Glukose benötigt, so dass wir es nicht vollständig aus dem Körper entfernen können. In unserer Studie haben wir eine Dosis Mannose gefunden, die genug Glukose blockiert, um das Tumorwachstum bei Mäusen zu verlangsamen, aber nicht so viel, dass das normale Gewebe geschädigt wird.“

Die krebserkrankten Mäuse erhielten die Mannose als Nahrungsergänzungsmittel während einer Therapie mit Cisplatin und Doxorubicin – zwei der am häufigsten eingesetzten Chemotherapeutika. Die Forschungsgruppe konnte aufzeigen, dass sich durch die Gabe von Mannose

  • die Wirkung der Chemotherapie verstärkte,
  • das Tumorwachstum verlangsamte,
  • die Tumorgröße verringerte,
  • die Lebenserwartung verlängerte.

„Wir sind der Ansicht, dass die Verabreichung von Mannose eine einfache, sichere und selektive Therapie bei der Behandlung von Krebs sein könnte, die bei verschiedenen Tumorarten anwendbar wäre“, resümiert das Forschungsteam. Eine japanische Arbeitsgruppe kommt im Rahmen einer Studie, die im Jahr 2023 in dem renommierten Fachjournal „eLife“ (2) präsentiert wurde, ebenfalls zu dem Schluss, dass D-Mannose die Anfälligkeit von Tumorzellen für eine Chemotherapie erhöht und daher als ergänzende Krebstherapie genutzt werden könnte.

Die Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass Krebszellen unfähig sind, Mannose energiebringend zu verstoffwechseln. Der gestörte Mannose-Stoffwechsel könnte laut der Arbeitsgruppe gezielt dafür genutzt werden, um Krebszellen für eine Chemotherapie zu sensibilisieren. Eine chinesische Forschungsgruppe der Tongji University in Shanghai kommt auf Grundlage ihrer im Fachjournal „PNAS“ (5) veröffentlichten Studienergebnisse zu dem Schluss, dass D-Mannose für die klinische Behandlung von Brustkrebs nützlich sein könnte – insbesondere bei tripel-negativem Brustkrebs (TNBC), der die schlechteste Prognose aller Brustkrebsarten aufweist. Die Arbeitsgruppe legt nahe, dass D-Mannose die Wirksamkeit von Immun- und Strahlentherapien bei dieser Krebsart verbessern kann, indem es den Abbau des immununterdrückenden Moleküls PD-L1 hemmt. Der durch D-Mannose vermittelte Abbau von PD-L1 fördert demnach die Aktivierung von T-Zellen, die Tumorzellen eliminieren. Die Studienergebnisse sind vielversprechend, da für TNBC nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten bestehen.

Forschende der American University of Beirut im Libanon präsentierten im Fachjournal „cancers“ (7) vielversprechende Studienergebnisse, die anhand menschlicher Darmkrebszellen sowie in Tiermodellen belegen, dass Mannose, sowohl allein als auch in Kombination mit dem Krebsmedikament 5-Fluorouracil (5-FU), eine wirksame Behandlung gegen Darmkrebs darstellen könnte. Die Wirksamkeit führt das Team darauf zurück, dass Mannose den sogenannten Pentosephosphatweg (PPP) in Krebszellen hemmt und so die Empfindlichkeit dieser Zellen gegenüber 5-FU verbessert.

Eine Arbeitsgruppe der University of Illinois in Chicago (USA) beschrieb im Rahmen einer Übersichtsarbeit, die 2021 im Fachjournal „matabolites“ publiziert wurde, die Rolle der Glukose-Isomere Fruktose und Mannose im Zusammenhang mit angeborenen Stoffwechselstörungen und anderen Stoffwechselerkrankungen wie Krebs. Wie die Forschenden aufzeigen, haben Fructose und Mannose trotz ihrer strukturellen Ähnlichkeit sehr unterschiedliche biochemische Eigenschaften. Das Verständnis dieser Unterschiede könne „die Entwicklung wirksamerer Therapien für Stoffwechselerkrankungen erleichtern“, resümiert das Forschungsteam. Laut der Übersichtsarbeit gibt es in mehreren Studien Hinweise darauf, dass Mannose im Gegensatz zu Fructose das Tumorwachstum verlangsamt. Bei Mäusen mit Krebs, die mit Mannose behandelt wurden, wachsen die Tumore langsamer. Das sei drauf zurückzuführen, dass sich Mannose im Körper anreichert und die Verarbeitung von Glukose in verschiedenen Stoffwechselwegen stört. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Mannose als sichere Behandlungsmethode gegen Krebs dienen könnte.

Dass Mannose anders auf den Stoffwechsel wirkt wie Fructose zeigt auch eine weitere Forschungsarbeit des Sanford-Burnham-Prebys Medical Discovery Institute in La Jolla (USA), die in dem renommierten Fachblatt „Cell Reports“ im Jahr 2018 vorgestellt wurde. Die Arbeitsgruppe zeigte an Mäusen, dass eine frühzeitige Gabe von Mannose Fettleibigkeit bei einer fettreichen Ernährung verhindern konnte. Darüber hinaus erreichten Mäuse, die zusätzlich zu einer fettreichen Diät Mannose erhielten, höhere Geschwindigkeiten auf einem Laufband und hatten eine bessere Kondition als Mäuse, die nur eine fettreiche Ernährung erhielten. Das interessante daran ist, dass die Aufnahme von Mannose keinen Einfluss auf die Menge des gefressenen Futters und des getrunkenen Wassers hatte. Auch die Aktivität, der Energieverbrauch sowie der Leptinspiegel, der das Sättigungsgefühl erhöht, blieb unverändert. Daher lässt sich nach Angaben des Forschungsteams die durch Mannose verursachte Gewichts- und Fettreduktion nicht auf eine verringerte Nahrungsaufnahme oder eine erhöhte Aktivität bzw. einen erhöhten Energieverbrauch zurückführen. Stattdessen korrelierte die Gabe von Mannose mit Veränderungen in der Darmmikrobiota. Diese Veränderungen führten zu einer geringeren Energiegewinnung durch die Mikroorganismen im Darm. Dies erklärt aus Sicht des Forschungsteam teilweise die Effekte durch die Gabe von Mannose.

Die positiven Effekte von D-Mannose auf das Darmmikrobiom werden auch von einer weiteren aktuellen Forschungsarbeit aus dem Jahr 2024 unterstützt, die in der Fachzeitschrift „Food & Function“ veröffentlicht wurde. Eine Arbeitsgruppe der Shandong University in Jinan (China) konnte im Tiermodell zeigen, dass D-Mannose helfen kann, Entzündungen im Darm bei der chronischen Darmerkrankung Colitis ulcerosa zu reduzieren und die Heilung der Darmschleimhaut zu fördern, indem Mannose die Funktion bestimmter Schutzproteine verbessert. Colitis ulcerosa ist gekennzeichnet durch eine langsame Heilung der Darmschleimhaut und Probleme mit der Schutzschicht des Darmes. D-Mannose konnte im Tiermodell die Entzündung verringert, die Heilung der Darmschleimhaut unterstützen und den Heilungsprozess bei Colitis einleiten. Die Forschenden führen den Effekt zum Teil darauf zurück, dass Mannose die Funktion sogenannter Tight-Junction-Proteine verbesserte. Dabei handelt es sich um spezialisierte Proteine, die wie eine Dichtung zwischen den Darmzellen wirken und somit eine entscheidende Rolle bei der Durchlässigkeit des Darms spielen. Darüber hinaus dokumentierte das Team, wie D-Mannose die Aktivierung von Immunzellen (M1- zu M2-Makrophagen) fördert, die zur Heilung der Entzündungen beitragen. „Zusammengefasst zeigt unsere Studie, dass D-Mannose helfen kann, die Entzündung bei Colitis ulcerosa zu reduzieren und die Heilung der Darmschleimhaut zu fördern, indem sie die Funktion der Schutzproteine verbessert“, resümieren das Team die Forschungsergebnisse.

Hintergrund: Mannose und der Zuckerstoffwechsel

Um die oben genannten Prozesse besser nachvollziehen zu können, bedarf es einem kleinen Exkurs in den Zuckerstoffwechsel. Glukose ist der wichtigste Energielieferant des menschlichen Körpers. Wir benötigen den Zucker für alle Prozesse – von der Verdauung bis zur Muskeltätigkeit. Glukose gelangt über die Nahrung in unser Blut und wird dort mithilfe von Insulin zu den Körperzellen transportiert. Dort wird Glukose in den Mitochondrien aufgespalten, wobei Adenosintriphosphat (ATP) freigesetzt wird. ATP ist ein universeller Energielieferant, der in zahlreichen Stoffwechselprozessen des Körpers genutzt wird. Als Restprodukte der Aufspaltung bleiben Kohlenstoff und Wasser zurück. Neben dieser gängigen Methode zur Energieerzeugung verfügt unser Körper auch noch über eine weitere Möglichkeit: die anaerobe Glykolyse. Bei diesem Vergärungsstoffwechsel wird aus Glykogen ATP gewonnen, ohne dass dazu Sauerstoff benötigt wird. Als Restprodukt wird hierbei Milchsäure (Laktat) erzeugt. Ein Schlüsselgen, welches bei diesem Prozess eine zentrale Rolle spielt, ist das sogenannte Transketolase-like 1 (TKTL1). Entdeckt wurde das Gen im Jahr 1995 von dem Biologen und Krebsforscher Dr. Johannes F. Coy.

Evolutionstechnisch hat TKTL1 eine wichtige Bedeutung für den Menschen, da es dem Körper eine alternative Energieerzeugung zur Verfügung stellt, bei der keine gewebeschädlichen Sauerstoffradikale entstehen. Davon profitiert vor allem empfindliches Gewebe wie Nervenzellen, Retinazellen und Spermien. Jedoch haben sich auch besonders aggressive Krebszellen diesen Mechanismus der anaeroben Energieproduktion zunutze gemacht. Eine hohe Aktivität von TKTL1 in Tumorzellen wurde in Studien bereits mit einer gesteigerten Malignität (Bösartigkeit) verbunden. Die anaerobe Glykolyse bietet der Krebszelle gleich mehrere Vorteile. Zum einen entstehen keine Sauerstoffradikale, die die Krebszelle schädigen, zum anderen liefert der Prozess Energie unabhängig von Sauerstoff. Darüber hinaus sorgt das Laktat für eine saure Umgebung, wodurch die Krebszellen weniger angreifbar für Immunzellen sind.

Mannose kann an dieser Stelle eingesetzt werden, um die Energieversorgung von Krebszellen mit hoher TKTL1-Aktivität zu hemmen. Denn Mannose wird über die gleichen Stoffwechselwege wie Glukose verwertet, ohne dass dabei Energie entsteht. Die Krebszelle wird so im Wachstum gehemmt und gleichzeitig angreifbarer durch Chemotherapien.

Fazit: Mannose könnte viele Krebstherapien effizienter machen

Die Gabe von D-Mannose als Nahrungsergänzungsmittel stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um die Effektivität von Chemotherapien zu erhöhen. Der zugrundeliegende Prozess gilt wissenschaftlich als gut belegt. In klinischen Studien wird derzeit ermittelt, bei welchen Krebsarten und in welcher Konzentration Mannose besonders effektiv ist.

 

Quellen

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